„Normale Jahre im Tourismus gibt es nicht!“
Authentisch, informativ und persönlich, so lässt sich das Gespräch der beiden erfahrenen Touristiker umschreiben. Tatsächlich waren es neben dem ungezwungenen Format ganz ohne Präsentationsfolien und Skript natürlich die Inhalte, die beim Publikum nachhallten. Zu vier Themenblöcken stand Dr. Sperl in seiner Funktion am Steuer des zweitgrößten europäischen Reisekonzerns Rede und Antwort. Seit 2019 ist Sperl bei der DER Touristik GmbH, vorausgegangen waren 19 Jahre bei Thomas Cook.
Zunächst ging es um Rolle und Konzepte der Reiseveranstalter sowie deren Position auf dem Reisemarkt, besonders mit Hinblick auf multiple Faktoren, die diesen Markt aktuell aufwirbeln. Auch Prognosen zu entsprechenden Marktentwicklungen konnte Professor Conrady von seinem Gesprächspartner erfahren, beispielweise zum Thema „stationäre Reisebüros“. Hier verwies Dr. Sperl auf das Beispiel der nach wie vor existierenden Bankfilialen: Analog zum Trend, den die Aussage „banking is essential, but banks are not“ einst umschrieb, erwartet er einen Rückgang wenn auch kein gänzliches Verschwinden physischer Reisebüros.
Der anschließende Themenblock fokussierte die DMC, die Destination Management Company – Dr. Sperls Kernthema als CEO der DER Touristik DMC. Die DMC wird seiner Überzeugung nach deutlich an Einfluss und Bedeutung in der touristischen Wertschöpfungskette gewinnen, denn, so Sperl, „Kundenzufriedenheit wird im Zielgebiet erwirtschaftet“. Die Veranstalter konzentrieren sich infolge zukünftig verstärkt auf die Interaktion mit den Kunden und nutzen die Entlastung von der Prozessverantwortung am Urlaubsziel.
Wo geht die Reise hin in der (deutschen) Touristik? Die Frage nach Markttrends im Reisemarkt Deutschland sowie auf internationaler Ebene wurden hernach beleuchtet. Hier waren sich Prof. Conrady und Dr. Sperl im klaren Schwerpunkt auf Individualisierung völlig einig: Intelligente Baukastenkonzepte zur Gestaltung von Reiselösungen, neue Nachhaltigkeitsalternativen wie Glamping, Akzente auf Lifestyle-Angebote und Flexibilität, Sicherheit (bspw. Storno-Schutzschirme) und Themenfokus anstatt Destinationsfokus wurden hierzu unter anderem angeführt.
Und letztlich richtete Professor Conrady noch das Augenmerk seines Gesprächspartners auf die Anforderungen an den professionellen Nachwuchs der Branche, die Absolventen der Touristik-Studiengänge. Neben theoretischem Fachwissen und starkem Praxisbezug u.a. durch Case Studies und Praktika betonte Dr. Sperl nachdrücklich, wie wichtig die Kompetenz des wissenschaftlichen Arbeitens im späteren Beruf sei. Dies beschränke sich nicht auf Studium und reine Forschungstätigkeiten, vielmehr komme es auch in der Wirtschaft maßgeblich darauf an, Marktprognosen, Studienergebnisse, Quelldaten, Kennzahlten und Aussagen zu interpretieren, kritisch zu hinterfragen und in Prozesse zu integrieren.
Ganz konkret stellte Professor Conrady seinem Gesprächspartner abschließend die Frage nach Arbeitgebererwartungen zu Hard- und Soft-Skill-Profilen der Absolventen, eine Frage, auf die im Publikum sicherlich mit Spannung gewartet wurde und zu der Dr. Klaus-Ulrich Sperl offen und transparent Stellung bezog. Wo frühere Generationen von Touristikern „aus dem Bauch heraus“ auf Markt- und Anforderungstrends reagierten, stehe heute analytisches Denken, strategische Datenauswertung und Forecasting-Kompetenz im Vordergrund. Ganz konkret heißt dies IT- und Zahlenaffinität, hervorragendes Betriebswirtschaftswissen und Fremdsprachkenntnisse als Selbstverständlichkeit. Im Bereich Softskills nannte Dr. Sperl Resilienz, Mobilität und Durchhaltevermögen als wichtige Attribute und ergänzte gleichermaßen Flexibilität und gar Krisenerprobtheit. Denn Krisen – in welcher Form auch immer – gibt es im Tourismus regelmäßig. „Normale Jahre gibt es nicht“, so Dr. Sperl. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage belegen nicht zuletzt die beiden Corona-Jahre und auch der Ukraine-Krieg.
Der Fachbereich Touristik/Verkehrswesen und allen voran Prof. Dr. Roland Conrady danken Dr. Klaus-Ulrich Sperl herzlich für seinen Besuch und die überaus interessanten Einblicke, die er als „CEO im Interview“ gewährte.